Geringwertige Wirtschaftsgüter nun bis 800 Euro
Berlin, 8. März 2017. Das wurde aber auch Zeit: Vorgestern hat sich die Berliner CDU/CSU-SPD-Koalition sich auf die Anhebung der Schwelle für Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) geeinigt. Statt bislang 410 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer können künftig betriebsnotwendige Anschaffungen wie beispielsweise Bürogeräte oder Maschinen bis zum einem Wert von 800 Euro im Anschaffungsjahr komplett von der Steuer abgesetzt werden. "Von der Steuer" absetzen heißt, dass Gewinne in Höhe des Nettowertes der Anschaffung nicht versteuert werden müssen.
Gilt ab 1. Januar 2018
Dazu Bundeswirtschaftsministerin Zypries dazu: "Es ist uns gelungen, kleine Mittelständler und Handwerksbetriebe konkret von Bürokratie und Kosten zu entlasten. Das fördert Investitionen und tut der Wirtschaft gut. Die Unternehmen können künftig Schreibgeräte, Tablets oder Büromaterialien bis zu einem Wert von 800 Euro, also fast doppelt soviel, sofort abschreiben. "
Unternehmen müssen Wirtschaftsgüter, die teurer als die "Geringwertigen Wirtschaftsgüter" sind, über mehrere Jahre abschreiben, meistens fünf Jahre oder länger. Das bedeutet, sie dürfen Sie nur scheibchenweise über die Abschreibungsdauer verteilt von der Steuer absetzen. Während der Abschreibungsdauer müssen die Güter in einem Anlagenregister aufgeführt werden. Geringwertige Wirtschaftsgüter können aber bereits in dem Jahr abgeschrieben – also vollständig von der Steuer abgesetzt – werden, in dem das Unternehmen sie angeschafft hat. Das nennt man Sofortabschreibung. Mit der Anhebung des Schwellenwerts für die Sofortabschreibung entfallen künftig für viele Wirtschaftsgüter die Aufzeichnungspflichten im Anlagenregister. Die Anhebung soll zum 1. Januar 2018 in Kraft treten.
Die Anhebung der Schwelle für geringwertige Wirtschaftsgüter ergänzt thematisch die Arbeitsprogramme "Bessere Rechtsetzung 2014 und 2016", mit denen die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode nach eigener Darstellung wichtige Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf den Weg gebracht hat, darunter die Bürokratieentlastungsgesetze I und II.
Kommentar:
"Dafür habe ich mich schon lange eingesetzt" – immerhin ist Frau Zypries schon seit dem 27. Januar 2017 Bundeswirtschaftsministerin. Aber bestimmt hat sie schon als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium für die Erhöhung der GWG-Grenze gekämpft. Im beginnenden Wahlkampf wollen schließlich alle gut dastehen.
Die neue GWG-Grenze ist allerdings weniger eine Bürokratieentlastung als ein Anreiz für Unternehmen, Geld auszugeben. Gerade zum Jahresende steigt die Sensibilität für die Gewinnaussichten und daraus resultierenden Steuerfestsetzungen, da neigt man schon zu Ausgaben, sei es für Anschaffungen überhaupt oder die etwas teurere Variante.
Solche Anreize hat die Bundesregierung allerdings vor einigen Jahren zerstört, als sie die ursprünglich halbjährlich beginnenden Abschreibungsfristen auf die Anschaffungsmonate änderte – ein größere Anschaffung wie beispielsweise ein Pkw zum Jahresende schlägt damit nicht mehr nennenswert auf das steuerliche Betriebsergebnis durch (bei Anschaffung im Dezember und sechs Jahren Abschreibung gerade mal mit einem 72stel des Nettopreises).
Weniger Bürokratie erscheint in anderen Bereichen viel wichtiger, beispielsweise wenn es um die Einstellung von Arbeitnehmern geht: Von den Lohnnebenkosten über weitere einsetzende Zahlungsverpflichtungen bis hin zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen ist das Thema kaum noch überschaubar, erst recht nicht für kleinere Unternehmen. Besonders für Selbständige, die erstmals einen Arbeitnehmer beschäftigen möchten, haben es die Vorschriftenmacher und der Selbstbedienungspulk rund um das Arbeitsverhältnis geschafft, dieses drastisch zu erschweren. Im Gegenteil: Unternehmer, die früher vielleicht zwei-drei Leute beschäftigt haben, machen inzwischen alleine weiter; sich selber auszubeuten, nur um Arbeitnehmer und die für das Arbeitsverhältnis zuständigen Kassen und Versicherungen bezahlen zu können und die damit verbundene Bürokratie zu bewältigen macht nämlich keinen, überhaupt keinen Spaß.
So manches, was die Politik guten Willens auf den Weg bringt, versagt in der Praxis. So führt der im Jahr 2017 gestiegene Mindestlohn in der Praxis zu Arbeitszeitverkürzungen, weil die steigenden Lohnkosten besonders in der Dienstleistungsbranche nicht mit höheren Einnahmen ausgeglichen werden können oder die Rahmenbedingungen für Minijobs sprengen. So weist Dr. Andreas Zönnchen, Steuerberater und Präsident des sächsischen Steuerberaterverbandes, hin: "Minijobber, die zum Mindestlohn von 450 Euro arbeiten, stehen Arbeitgebern damit künftig jeden Monat etwa zwei Stunden weniger zur Verfügung." Seit Jahresbeginn 2017 gelte es daher, die monatliche Arbeitszeit bei 450-Euro-Jobbern zu überprüfen: "Anderenfalls kann durch die Anhebung des Stundenlohns der sozialversicherungsfreie Minijob in Gefahr geraten."
Bürokratieentlastung? Na dann, herzlichen Glücvkwunsch!
Ihr Thomas Beier
Thomas Beier ist Freiberuflicher Unternehmensberater und beschäftigt sich mit Markterschließungsstrategien und Fragen der Unternehmenskultur.
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- Quelle: red | Foto: Geisteskerker / Jana Schneider, pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
- Geändert am: 08.03.2017 - 15:14 Uhr
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