LAG Freiwilligendienste/ FSJ: Sozialministerium gefährdet Qualität

Dresden, 13. März 2014. "Wir werden weniger Zeit für die Freiwilligen haben. Die neue Verwaltungsvorschrift bringt einen erhöhten Aufwand zu Lasten der inhaltlichen Qualität“, kritisiert Dr. Timm Meike, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Freiwilligendienste/ FSJ in Sachsen die ab April geltende Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales (SMS). Mit der neuen Regelung versucht das Ministerium die Rahmenbedingungen für die verschiedenen Freiwilligendienste zu bündeln. Gleichzeitig erhöht es den Dokumentationsaufwand für die Träger ohne entsprechende Ressourcen für den Mehraufwand zur Verfügung zu stellen.

Berechnungsbeispiel weist Mehraufwand nach

Allein für die zusätzlichen Nachweispflichten muss das pädagogische Fachpersonal nach den Berechnungen der LAG mehr als zehn Prozent seiner Arbeitszeit aufwenden. Dabei werden schon jetzt umfangreiche Nachweise erbracht, die fundiert und prüfbar Auskunft über finanzielle und qualitative Aspekte eines Trägers geben. "Es ist nicht ersichtlich, warum Angaben jetzt zweimal gemacht werden sollen. Die Qualität der Freiwilligendienste droht nun einer Reglementierung zum Opfer zu fallen, die in Deutschland einzigartig ist und keinerlei Mehrwert erzeugt", so Dr. Meike und erklärt: "Das bedeutet: Weniger Zeit für die Vorbereitung und Durchführung von Seminaren, weniger Zeit für Einsatzstellenbesuche, weniger Zeit, um mit den Freiwilligen fachlich zu arbeiten und Beratungsgespräche zu führen. Verlierer sind die Freiwilligen und die von ihnen betreuten Menschen."

Die LAG befürchtet zudem eine massive Einengung der Gestaltungsspielräume der Träger. "Seit über 50 Jahren sind die Freiwilligendienste, allen voran das Freiwillige Soziale Jahr, von zivilgesellschaftlichen Akteuren gestaltet worden. Diese Entwicklung würde durch solch eine Regelungsdichte beendet", betont Meike. Daher fordert die LAG Freiwilligendienste den Stopp der Verwaltungsvorschrift sowie deren Überprüfung auf Notwendigkeit.

Die LAG Freiwilligendienste/ FSJ in Sachsen ist der Zusammenschluss der sächsischen Träger des FSJ. Sie vertritt 32 Träger mit etwa 1800 FSJ-Plätzen in Sachsen.

Die LAG Freiwilligendienste/FSJ hat die nachstehende Darstellung des Mehraufwandes und daraus resultierender Arbeitszeiten zur Verfügung gestellt:

Zusätzlicher pädagogischer und bürokratischer Aufwand durch die geplante Neueinführung einer Verwaltungsvorschrift (VWV) für Freiwilligendienste in Sachsen

Die Einführung der neuen VWV für Freiwilligendienste bedeutet für die sächsischen Träger einen enormen zusätzlichen Aufwand, da die pädagogischen Fachkräfte über zehn Prozent ihrer Arbeitszeit für zusätzliche Nachweisführungen gemäß der geplanten Richtlinie und Verwaltungsvorschrift aufbringen müssten. Daraus ergibt sich nach Einschätzung der LAG Freiwilligendienste keinerlei Mehrwert für die Freiwilligen und Einsatzstellen, ganz im Gegenteil: Der zusätzliche Zeitaufwand würde zu Lasten der für die Qualität der pädagogischen Begleitung wichtigen Vorbereitungszeiten für Seminare und Einsatzstellenbesuche gehen.

Bereits jetzt sind die Träger von Freiwilligendiensten dazu verpflichtet, den zahlenmäßigen Nachweis aller mit dem Zuwendungsbescheid zusammenhängenden Einnahmen und Ausgaben zu dokumentieren. Zusätzlich zu diesen Nachweisen wird mit der Einführung einer Verwaltungsvorschrift u.a. Folgendes notwendig:

VWV II. 3. a) Formulierung spezifischer Wirkungsziele für die Ebenen Träger, Einsatzstelle und Freiwillige mit Indikatoren zur Überprüfung der Zielerreichung

Derzeit: Jeder Träger ist bereits jetzt gesetzlich verpflichtet, jeden einzelnen Freiwilligen bei der persönlichen Zielformulierung und Zielreflektion während des Freiwilligenjahres zu begleiten.

Auswirkung VWV: Für Träger und jede einzelne Einsatzstelle müssten die Wirkungsziele für jedes Projekt jährlich aktualisiert werden. Für jeden neuen Freiwilligen sollen die Wirkungsziele nach seinem individuellen Stand und seinen persönlichen Zielen im Verhältnis zu den Möglichkeiten der Einsatzstelle und der pädagogischen Betreuung ermittelt, formuliert, standardisiert dokumentiert und mit Messzahlen bewertet werden. Die Formulierung von Wirkungszielen ist in der Fachwelt umstritten, bedeutet enormen Aufwand und passt nicht zu der Philosophie von Freiwilligendiensten als Orientierungsjahr: Es geht nicht um das Erzielen messbarer Ergebnisse sondern um das professionelle Anstoßen und Begleiten von Orientierungsprozessen bei jungen Menschen nach der schulischen Ausbildung und vor einer möglichen weiteren spezifischen Ausbildung.

Zusätzlicher Zeitaufwand: Träger 20 Stunden, 0,5 Stunden pro Einsatzstelle, 3 Stunden pro Freiwilligem

VWV II.2.e) Nachweis der Qualitätsentwicklung und des Einfließens der Ergebnisse in die Weiterentwicklung der Freiwilligendienste. Diesbezüglich Zusammenarbeit mit der Fachstelle und Nachweis gegenüber der Fachstelle.

Derzeit: Qualitätsentwicklung und Nachweisführung erfolgt bereits durch die Zentralstellen auf Bundesebene, welchen jeder Träger angeschlossen sein muss. Alle Träger sind somit bereits mit verschiedenen Qualitätssystemen befasst.

Auswirkung VWV: Es soll ein sächsisches Qualitätssystem eingeführt werden, durch das standardisiert Ergebnisse gegenüber der Fachstelle Freiwilligendienste erhoben und dokumentiert werden. Dadurch entsteht ein Mehraufwand abhängig davon, inwieweit Ergebnisse aus den Messungen der Zentralstellen in die Formulare der Fachstelle übertragen werden können oder zusätzliche Messzahlen und Berechnungen bedient werden müssen.

Zusätzlicher Zeitaufwand: 20 Stunden für das Übertragen von Werten in Landesdokumente, 0,5 Stunden pro Freiwilligem für zusätzliche standardisierte Mess- und Dokumentationsverfahren.

Berechnungsbeispiel für einen mittelgroßen Träger mit 60 Einsatzstellen, 80 Freiwilligen und zwei pädagogischen Betreuern:

Für VWV II. 3.a): 20+30+240= 240 Stunden Mehraufwand pro Jahr

Für VWV II.2.e): 20+40= 60 Stunden Mehraufwand pro Jahr

Ergebnis: Bei einer jährlichen Arbeitszeit von 3200 Stunden für zwei Betreuer sind dies ca. neun prozent der gesamten Arbeitszeit, die für die Vorgaben aufgewendet werden muss. Zusammen mit weiteren Vorschriften durch die VWV werden über 10% der jährlichen Arbeitszeit für zusätzliche Dokumentationspflichten aufgewendet werden müssen.

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  • Quelle: red
  • Geändert am: 13.03.2014 - 09:24 Uhr
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