Offener Brief aus Ostsachsen

Landkreis Görlitz. Arbeitslosigkeit, besonders lang andauernde, macht den Landkreis Görlitz sachsen- und deutschlandweit zur sozialen Problemregion. Die unmittelbar Betroffenen organisieren sich, so im Zittauer Arbeitskreis für soziale Gerechtigkeit (ZAK) und im Sozialbündnis des Landkreises Görlitz. Mit einer öffentlichen Stellungnahme, die zugleich Aufruf ist, wenden sie sich an politische Parteien und Verantwortungsträger. Nachstehend der Wortlaut - nicht ohne Kommentar.

Stellungnahme des Zittauer Arbeitskreises für soziale Gerechtigkeit (ZAK) und des Sozialbündnis des Landkreises Görlitz zum Ergebnis der Kommunalwahl vom 07.06.2009 - Aufruf an politische Parteien und Verantwortungsträger

Die Kommunalwahlen am 07.06.2009 haben aus Sicht des ZAK und des Sozialbündnisses zu einem vorhersehbaren Ergebnis geführt.

Die NPD konnte sich weiter etablieren und zieht nunmehr auch in Stadt- und Gemeinderäte ein.

Wer ist schuld an dieser Situation, wer lässt so etwas zu?

Im Landkreis Görlitz, der Landes- und Bundespolitik haben in der Vergangenheit die politisch Verantwortlichen durch ihren Umgang mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen einer solchen Entwicklung den Boden bereitet.

Sie haben zugelassen, dass sich die Region seit der Wende zum Armenhaus Deutschlands entwickelt hat.

Ist es vor diesem Hintergrund wirklich überraschend, dass die NPD diese Chance nutzt und plötzlich ihre Liebe zu den sozial Schwachen entdeckt?

Ist es überraschend, dass immer mehr Menschen Wahlen fernbleiben, weil sie von den Regierenden nichts mehr erwarten?

Im Hinblick auf die kommende Landtags- und Bundestagswahl fordert der ZAK und das Sozialbündnis alle Verantwortungsträger auf, diese Entwicklung und die verheerende wirtschaftliche und soziale Situation in unserer Region endlich zur Kenntnis und zu nehmen und gravierende Fehler einzugestehen.

Setzen Sie sich endlich für wirksame und langfristige Maßnahmen ein, die die wachsende Verarmung und Abwanderung aus der Region stoppen! Politische und soziale Verantwortung darf sich nicht in kurzfristigen Programmen erschöpfen, die die Statistik schönen. Denken Sie nicht in Wahlslogans und -perioden, denken Sie an die Menschen, für die Sie Verantwortung übernommen haben!

Sorgen Sie endlich dafür, dass jeder Bürger dieses Landes eine Arbeit bekommt, um sich und seine Familie menschenwürdig und ohne Bettelei ernähren zu können. Jeder hat nur ein Leben, auch die Menschen in unserer Region. Schaffen Sie endlich die Voraussetzungen dafür, dass es in Würde gelebt werden kann.

Wer die soziale Not und Perspektivlosigkeit großer Bevölkerungsteile billigend in Kauf nimmt, unterstützt den Vormarsch der NPD in die Parlamente und die Mitte der Gesellschaft.

Schon mehrmals in der Geschichte unseres Landes hat es ähnliche Entwicklungen gegeben. Die Ergebnisse und Konsequenzen sind bekannt. Muss es erst wieder soweit kommen? Geben Sie endlich Antworten auf die Probleme vor Ort so lange es Ihnen noch gestattet wird!

Der Krug geht bekanntlich so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Zittau und Görlitz am 19. Juli 2009


Oliver Otto, Initiative Görlitzer Montagsdemo „Die Originale“
Sabine Kunze, Bürgerinitiative gegen Hartz IV und Sozialabbau Niesky und Weißwasser
Simone Sonnenfeld und Marian MeldeZittauer Arbeitskreis für soziale Gerechtigkeit


Kommentar

Ein Aufschrei. Ein Aufschrei mit Schuldzuweisungen. Ein Aufschrei aus Hilflosigkeit.

Was soll sonst kommen aus einer Region, wo die offizielle Arbeitslosenstatistik, aus der bereits in "Maßnahmen" untergebrachte Menschen verschwunden sind, um die zwanzig Prozent pendelt? HartzIV-Erfahrung Alltag in einem geschätzen Viertel bis Drittel aller Familien ist?

Nun aber engagierte, aber hilflose Politiker als Hauptschuldige vorzuführen, greift zu kurz. Arbeitsproduktivität, Globalisierung und gewachsene Lebensansprüche verändern Regionen - zu Lasten der Randgebiete. Vorwerfen kann man das jenen Politikern, die den Bürgern nicht reinen Wein einschenken und einen wirklichen Umbau der Gesellschaft nicht vorantreiben - einen Umbau, der den "von den Qualen der Arbeit befreiten" (Karl Marx) Lebenssinn, Auskommen und Chancengleichheit gewährt. Politik orientiert sich an Wahlperioden - oder schießt, wie jüngst Steinmeier, darüber hinaus, wenn er einen unhaltbaren Vollbeschäftigungplan über drei Kanzlerwahlperioden hinweg verkündet. Aber das ist ein anderes Thema.

Von sozialen Vereinigungen kann man die Lösungen nicht erwarten - sie artikulieren den steigenden Veränderungsdruck. Und der steigt in gesellschaftlich gefährliche Bereiche.

Der Politik ist der große Wurf bisher wirklich nicht gelungen,

meint Ihr Fritz R. Stänker


Ein P.S. zum Umgang mit Rechtsaußen:
Oma sitzt im Eisenbahnabteil einem Neonazi gegenüber. Sie mustert ihn voller Mitleid und sagt: "Ach, Sie Ärmster. Erst Chemotherapie und dann auch noch orthopädische Schuhe!"

Kommentare (4)

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  • Arbeit für Alle

    von beatrice am 04.08.2009 - 19:13:09
    Arbeit für alle wird es in auch Zukunft nicht geben - es sei denn die vorhandene Arbeit wird gerechter verteilt.
    Bis es vielleicht auch in Deutschland anerkannt wird , wenn jemand nur halbtags arbeiten gehen will und sich vielleicht sonst lieber um seine Kinder kümmert oder sich ehrenmatlich für Kinder oder Senioren einsetzt. Es müßte doch eigentlich ehrenamtliche, unbezahlte Arbeit von der Gesellschaft genauso anerkannt werden, wie bezahlte Arbeit.

    Ein ausbaufähiger Bereich, den die Oberlausitz besitzt, ist der Tourismus. Hier sind die Städte und Gemeinden gefragt, zusammen zuarbeiten und noch mehr zu investieren.

  • PM ZAK u.SB Gö

    von Marian Melde am 05.08.2009 - 00:31:59
    Danke für die Veröffentlichung und den guten Kommentar von Herrn Stänker.

    M.Melde

  • so gut ist der Einstiegskommentar nicht

    von zak-zittau.de am 05.08.2009 - 10:57:02
    Wer bitte schön, soll denn die notwendigen Veränderungen herbeiführen? Sollen es die Politiker tun? Oder soll die Wirtschaft sich freiwillig um ihre Gewinne bringen? Es bleibt dann doch nur der Wille und die Forderung des Volkes übrig!
    In den Parlamenten wird man erst etwas erreichen, wenn man außerparlamentarisch genug Druck ausübt. Der kommt aber nicht vom Himmel gefallen, sondern muß geschaffen werden. Welche Politiker sind denn schon so engagiert, daß sie aktiv in einer solchen Bewegung mitarbeiten?
    Auf der anderen Seite ist das Wirtschaftssystem, welches auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln basiert, schuld, daß es Arbeitslosigkeit gibt. Denn ohne Arbeitslosigkeit könnte es nicht existieren! Welche Politiker in den Parlamenten wollen schon dieses Wirtschaftssystem beseitigen? Rechts außen die NPD will es nicht beseitigen, auf der linken Seite will es die PDL nicht beseitigen, die Parteien zwischen drin wollen es ebenfalls nicht beseitigen. Wer soll es also tun, wenn nicht die Bürgerinnen und Bürger selber?

  • zu dem vorherigen Kommentar

    von ein Bekennender am 06.08.2009 - 20:15:03
    Ich muß klarstellen, daß der vorherige Kommentar, der als Namen die Seite der Zittauer Arbeitskreis für soziale Gerechtigkeit (www.zak-zittau.de) nennt, nicht die Meinung des Arbeitskreises wiedergibt, sondern nur die Meinung einer einzelnen Person dieses Arbeitskreises.


  • Quelle: /FRS
  • Geändert am: 04.08.2009 - 11:02 Uhr
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