Görlitzer Ratsarchivar Siegfried Hoche in Expertenkommission

Dresden | Görlitz-Zgorzelec. Die Staatsregierung wird von 13 Wissenschaftlern und Zeitzeugen bei der Auswahl von Projekten zum Doppeljubiläum „20 Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ im nächsten Jahr beraten. Am 15. Juli 2008 begrüßten Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Johannes Beermann, die Mitglieder dieser Expertengruppe zu ihrer Auftaktsitzung in der Sächsischen Staatskanzlei. „Die Friedliche Revolution und die Deutsche Einheit waren Ereignisse von herausragender historischer Bedeutung für ganz Deutschland und gerade für Sachsen. Der Mut hunderttausender Menschen, die hier für Freiheit und Demokratie demonstrierten, führte zur Wiedervereinigung beider deutscher Staaten“, sagte der Ministerpräsident. Ziel aller für 2009 geplanten Aktivitäten der Staatsregierung sei es, die Leistung dieser Menschen zu würdigen, gegen das Vergessen zu arbeiten und die Identität Sachsens als Kernland der friedlichen Revolution zu schärfen.

War doch alles schlecht? - Kommentar

„Wir wissen aus Umfragen, dass die DDR mit wachsendem Abstand immer stärker verklärt wird. DDR-Nostalgie greift um sich. Unter dem Motto ‚Es war nicht alles schlecht’ wird der totalitäre Charakter der DDR verdrängt“, sagte Ministerpräsident Tillich. Dieser Tendenz solle mit zahlreichen von der Staatsregierung und den sächsischen Bildungseinrichtungen organisierten Veranstaltungen entgegengewirkt werden. Die Staatskanzlei nimmt hierbei eine koordinierende Funktion ein, so dass eine thematische Vielfalt der Veranstaltungen im ganzen Freistaat gewährleistet ist.

So entsteht in Kooperation mit dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen eine Wanderausstellung, in deren Mittelpunkt die Leistungen der Menschen in der Wendezeit stehen. Darüber hinaus sind zahlreiche Gesprächsforen und Tagungen geplant, etwa eine zweisemestrige Ringvorlesung unter dem Titel „Wie schmeckte die DDR? Wege zu einer Kultur des Erinnerns zwischen persönlichem Erleben und wissenschaftlicher Aufarbeitung“. Sie wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung, der TU Dresden und der Staatskanzlei in mehreren sächsischen Städten ausgerichtet und hat ihren Auftakt am 28. September 2008 in der Semperoper. Im Rahmen einer in der Landeszentrale für politische Bildung stattfindenden internationalen Tagung des Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung werden renommierte Wissenschaftler und Zeitzeugen die friedliche Revolution in der DDR mit den Transformationsprozessen in Ostmitteleuropa vergleichen.

„Wir wollen mit diesen und weiteren Veranstaltungen alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln und diese beiden wichtigen Jubiläen für einen neuen Aufbruch nutzen. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, mehr Bürger für ein Engagement in den Institutionen der parlamentarischen Demokratie zu begeistern und die Erinnerungen an 1989 wach zu halten, insbesondere bei denen, die nach der friedlichen Revolution geboren wurden“, erläuterte Tillich die Ziele.

Der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Johannes Beermann, dankte den Mitgliedern der Expertenkommission für ihre Bereitschaft, das Doppeljubiläum mit ihren Ideen und ihrem Wissen mitzugestalten und ihre Erfahrung einzubringen. „Viele Experten sind selbst Akteure dieser Zeit und haben sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv und wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich sehe sie als Partner und Berater der Staatskanzlei für die Vorbereitungen und Aktivitäten und auch als Multiplikatoren in der Gesellschaft“, sagte Beermann.


Der Expertenkommission „20 Jahre friedliche Revolution“ gehören folgende Wissenschaftler und Zeitzeugen an:


1. Uwe Schwabe, Vorsitzender des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V.

2. Prof. Dr. Eckhard Jesse, Inhaber der Professur für politische Systeme und politische Institutionen an der TU Chemnitz

3. Hansjörg Weigel, Initiator des Christlichen Friedensseminars Königswalde

4. Dr. Michael Richter, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung

5. Dr. Mike Schmeitzer M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung

6. Dr. Herbert Wagner, ehemaliger Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden

7. Thomas Küttler, Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens i.R.

8. Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" in Leipzig

9. Prof. Dr. Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig

10. Michael Beleites, Sächsischer Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

11. Werner Schulz, stellvertretender Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

12. Siegfried Hoche, Leiter des Ratsarchivs der Stadtverwaltung Görlitz

13. Dr. Martin Böttger, Leiter der Außenstelle Chemnitz der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR


Die Kommission wird als eigenständiges Gremium etwa einmal pro Quartal tagen.


Kommentar:

Also - um auch dieser Verklärung vorzubeugen - eine Revolution war es nun wirklich nicht. Es war einfach nur ein abgewirtschafteter schwacher Staat, der seine zu recht unzufriedenen Bürger nicht mehr in den Griff bekam.

Irgendwie wurde die DDR ja Opfer ihrer selbst. Jahrzehntelange Parolen vom Arbeiter-und-Bauern-Staat, der "alles für das Volk" tut, waren schließlich auch in den Köpfen der Volkspolizisten und NVA-Soldaten hängen geblieben - vermutlich die eigentliche Ursache dafür, dass nicht geschossen wurde.

Die altbundesdeutsche Polizei - erprobt an der Startbahn West, in Wackersdorf und sonstwo - muss sich doch pausenlos an den Kopf fassen, wie ein paar hochdisziplinierte Demonstrationen - selbstverständlich außerhalb der Arbeitszeit - eine Regierung kippen konnten.

Wer heute von den "es war doch nicht alles schlecht"-Erinnerungen beunruhigt ist, dem darf eine Schwarz-Weiß-Denke unterstellt werden. Es war nämlich nicht alles schlecht, was in altbundesdeutscher Arroganz vernichtet wurde und heute wiederentdeckt und - selbstverständlich leicht abgewandelt, sonst wär´s doch wirklich zu peinlich - wiederentdeckt wird: Poliklinik, Sozialversicherungsausweis, Kindergartenplatz, praktizierte Gleichstellung, Sozialversicherungsausweis . . .

Und noch eins drauf: Das Anliegen der Initiatoren der Montagsdemonstrationen war nicht die Wiedervereinigung, sondern die Reformierung der DDR. Ob das möglich gewesen wäre, sei an dieser Stelle dahingestellt. Der Wandel des Schlachtrufs "Wir sind das Volk!" hin zu "Wir sind ein Volk!" wurde jedenfalls mit der D-Mark erkauft.

Diese Entwicklung führte zur Wiedervereinigung, oder - das ist nun einmal Fakt - zum Beitritt jenes Stückchens Ex-Deutschland, das sich nach dem Krieg nicht abgespalten hatte, zur abgespaltenen Republik. Die Spaltung Deutschlands geschah, wie häufig suggeriert, nicht durch den Mauerbau, sondern durch die Gründung der Bi- und Trizone und schließlich der Bundesrepublik Deutschland und die Einführung der D-Mark.

Wie stand 1990 an der Beliner Mauer geschrieben? Wir sind ein Volk! Allerdings hatte jemand das Wort "blödes" hinzugefügt.

Bei allem Gemecker: Es hätte übler laufen können.

Gut, dass es so gekommen ist,

meint Ihr Fritz Rudolph Stänker

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  • Quelle: /FRS
  • Geändert am: 16.07.2008 - 08:06 Uhr
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