Pro Mindestlohn

Deutschland. Die Diskussion um den Mindestlohn ebbt nicht ab. Während die einen die Position vertreten, die Vorgabe eines Mindestlohns oder branchendifferenzierter Mindestlöhne vernichte Arbeitsplätze, stehen andere auf dem Standpunkt, dass ein Arbeitnehmer von seinem Einkommen leben können müsse. Eine Betrachtung von Fritz Rudolph Stänker, Kommentator beim Görlitzer Anzeiger (www.goerlitzer-anzeiger.de).

Eine differenzierte Betrachtung des Mindestlohn-Problems

Ganz sicher gibt es Tätigkeiten, die so wenig Ertrag bringen, dass sie nur gering vergütet werden können. Bevor daraus jedoch die Notwendigkeit von Geringstverdienern abgeleitet wird, lohnt genaueres Hinschauen.

Zu unterscheiden ist nämlich zwischen niedrigst entlohnten Tätigkeiten, die betriebsnotwendig sind, also um eine insgesamt profitable Organisation am Markt halten zu können, und solchen Tätigkeiten, die von Arbeitnehmern ausgeführt werden, weil sich unter der Prämisse des Niedriglohns damit für ein Unternehmen noch Geld verdienen lässt.

Mischkalkulation der Lohnkosten


Im Falle betriebsnotwendiger Niedrigstlohn-Tätigkeiten scheint der Fall einfach lösbar: Die Lohnkosten unterliegen einer Mischkalkulation, das heißt, „profitable Arbeitsplätze“ subventionieren innerbetrieblich „unprofitable Arbeitsplätze“, sofern diese für den Gesamtbetrieb unverzichtbar sind. Hier ist ein gesetzlich vorgegebener Mindestlohn eine Prämisse für die Lohnkostenkalkulation: Das Kosteneinspar-Potenzial „Lohn“ kann nicht mehr vom unteren Ende her, der Seite der Geringverdiener, angezapft werden. Der Gesamtbetrieb muss wettbewerbsfähig sein, nicht der einzelne Arbeitsplatz.

Mindestlohn bei Auslagerung

Ganz anders der Fall, wenn ein Unternehmen seine Niedriglohn-Arbeitsnehmer an einen externen Dienstleister auslagert. Ein Beispiel: Ein größerer Betrieb lagert die Reinigung seiner Räume an einen externen Dienstleister aus. Ziel wäre, die direkten Personalkosten, das Krankheitsrisiko, mögliche Querelen mit dem Personal, die Organisation und Verwaltung der innerbetrieblichen Reinigungstruppe sowie deren Bedarfs an Hilfsstoffen und Betriebsmitteln einzusparen - genauer gesagt, gegen eine fixe Kostenpauschale, zu zahlen an das externe Reinigungsunternehmen, einzusparen.
Dieses externe Reinigungsunternehmen könnte tatsächlich effizienter sein, da es sich auf Reinigung spezialisiert hat, so die reine Theorie. In der Praxis jedoch erhält der externe Dienstleister seine Existenzberechtigung oft genug allein dadurch, dass er seinen Hauptkostenfaktor - die Löhne - drückt. Im Wettbewerb wäre nun jener Dienstleister im Vorteil, der die Löhne am weitesten beschneidet. Auch hier ist die gesetzliche Vorgabe eines Mindestlohns sinnvoll: Wenn eine gesamte Branche, wie eben die Gebäudereinigung oder als Beispiel auch die Briefzusteller, in der Position der Lohnkosten gleichgestellt sind, muss der Wettbewerb durch andere Kriterien ausgetragen werden - wie Qualität und Zuverlässigkeit, die dem Kunden dienen.

Nur notwendige Leistungen finanzieren

Bleibt ein dritter Bereich: Unternehmen, in denen Arbeitnehmer Tätigkeiten verrichten, die zu einem vorgeschriebenen Mindestlohn nicht mehr finanzierbar wären. Als Beispiel möge ein Versicherungsvertrieb dienen, der durch telefonische Kaltakquisition Kunden werben will und seinen Telefonisten (Call-Center-Agenten) angenommene zwei Euro je Stunde plus eine kleine Erfolgsprovision zahlt.
Hier erhebt sich die Frage, ob diese Dienstleistungen überhaupt notwendig sind. Wenn ja, wäre - falls eine kostendeckende Finanzierung über die Lohnkostenverrechnung an den Auftraggeber nicht möglich ist, ein Kombilohn-Modell gerechtfertigt. In den meisten Fällen aber, wie im gezeigten Beispiel, können derartige Dienstleistungen jedoch wohl ersatzlos entfallen. Bedürfnisse erst durch Niedrigstlöhne zu provozieren, stößt an die Grenzen der Wirtschaftsethik.

Zusammenfassung

Die politische Diskussion, ob nun Mindestlohn ja oder nein, kann ohne differenzierte Betrachtung nicht fruchtbringend geführt werden. Kombilöhne sind nur dort sinnvoll, wo eine Tätigkeit unverzichtbar - im öffentlichen Interesse - ist und durch die Gesamteinnahmen des Arbeitgebers im Sinne einer Mischung der Lohnkosten nicht finanzierbar ist.

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  • Quelle: /Fritz Rudolph Stänker
  • Geändert am: 24.03.2008 - 12:01 Uhr
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