Sterben die Innenstädte weiter aus?

Sterben die Innenstädte weiter aus?

Görlitz, 8. November 2022. Von Thomas Beier Der Warenhauskonzern Galeria Kaufhof, oftmals Zugpferd für den Einzelhandel in den Citylagen, hat vor kurzem zum dritten Mal Insolvenz angemeldet. Der Einzelhandel generell und Gastronomen stehen angesichts hoher Mieten und nun auch noch rasant gestiegener Energiepreise mit dem Rücken an der Wand. Werden die Innenstädte veröden oder ist der Wandel eine Chance?
Abb.: Auf dem Domplatz in Münster fluktuiert an den Markttagen der Innenstadthandel
Foto: © BeierMedia.de

Unterschiede zwischen Ost und West

Schaut man sich in Citylagen von mittleren und größeren Städten in Ost- und in Westdeutschland an, dann zeigen sich erhebliche Unterschiede. Abgesehen von den Großstädten sind in den mittleren Städten des Ostens oftmals leerstehende Ladenlokale in guten Lagen zu finden. Das ist ein Hinweis auf mangelnde Kaufkraft, manchmal auch auf zerstrittene Eigentümergemeinschaften.

Wie auch immer: Im Westen ist die Situation anders. In pulsierenden Städten wie etwa Münster wäre ein Leerstand in der Innenstadt völlig undenkbar, in kleineren Städten hat sich in bestimmten Regionen die Situation längst bereinigt: Da ist nichts mehr.

Im Osten kämpfen Städte verzweifelt darum, Einzelhandelsstrukturen und Dienstleister in den Innenstädten zu halten. Ob der Hebel dabei immer am wirkungsvollsten Punkt angesetzt wird, ist eine andere Frage. Was nützt ein Citymanager, wenn er auf verlorenem Posten steht und die lokalen Anbieter nicht mitziehen?

Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!

"Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!", sprach der arme Richard (Benjamin Franklin: Der arme Richard oder die Kunst, reich zu werden. Palm’sche Verlagsbuchhandlung, Erlangen, 1852). Für die Anbieter in den Innenstädten heißt das: Auf Hilfe zu warten, das kann zu lange dauern – wenn aber viele daran arbeiten, das eigene Geschäft zu erhalten und voranzubringen, dann hilft das allen.

Sicher kann man vieles gemeinsam tun, etwa Werbegemeinschaften oder Shoppingerlebnisse organisieren. Das alles verbindet sich jedoch mit der Hoffnung, dass es künftig besser werden könnte. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber die Inflation und die damit verbundene Kaufzurückhaltung setzen ihr gewaltig zu. Für Kaufleute bleibt neben einer profunden Marketingsstrategie nur, den Bleistift noch besser zu spitzen, um durch betriebswirtschaftliche Maßnahmen die eigene Zahlungsfähigkeit zu erhalten.

Zahlungsfähigkeit sichern

Die Grundlage der Zahlungsfähigkeit ist der Bestand an schnell verfügbarem Geld, auch die flüssigen Mittel oder Liquidität genannt. Es liegt auf der Hand: Kann ein Unternehmen die an es gerichteten Forderungen nicht mehr begleichen, wachsen die mit den Eintreibungsmaßnahmen des Gläubigers schnell an, Lieferanten und betriebsnotwendige Dienstleister springen ab und vor allem seitens der Sozialversicherungen droht der Außenkonkurs.

Der Zittauer Anzeiger hat unlängst sieben Methoden der Liquiditätssicherung zusammengestellt, jedoch nicht alle ausreichend erläutert. Aufgeführt sind im Beitrag neben dem grundsätzlichen Führen eines Liquiditätsplanes

  • - das Verkürzen von Zahlungszielen,
  • - das Strecken von Zahlungsverpflichungen,
  • - der Forderungsverkauf,
  • - der Verkauf von Betriebsmitteln,
  • - das Verkaufen und Zurückleasen von Investitionsgütern,
  • - der Verkauf von Lagerbeständen und
  • - die Wareneinkaufsfinanzierung.

Insbesondere der letzte Punkt, die Wareneinkaufsfinanzierung, ist noch nicht sonderlich bekannt und wird gern mit dem Strecken der Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Lieferanten verwechselt.

Verhandlungen mit Lieferanten oft nicht zielführend

So gehört etwa die Wareneinkaufsfinanzierung zu den recht einfach umsetzbaren Maßnahmen, die zudem ein ganz praktisches Problem löst: Verhandlungen mit Lieferanten über die Streckung von Zahlungszielen sind in der betrieblichen Praxis oftmals nicht von Erfolg gekrönt.

Erstens gilt im Verhältnis von Abnehmer und Lieferanten das kaufmännische Grundprinzip, wonach es kein Zugeständnis ohne Gegenleistung gibt. Schlägt also etwa ein Einzelhändler einem Lieferanten ein längeres Zahlungsziel vor, so wird der in aller Regel nicht darauf eingehen, ohne die Konditionenschraube an anderer Stelle anzuziehen.

Doch schlimmer noch: Allein die Frage nach einem längeren Zahlungsziel kann zu schlechteren Konditionen oder gar zur Auslistung führen, weil sie den Eindruck erweckt, der Betrieb sei wirtschaftlich angeschlagen und es könne zu Forderungsausfällen kommen.

Wareneinkaufsfinanzierung nutzen

Deshalb haben sich sogenannte Finetrader als Anbieter für die Wareneinkaufsfinanzierung etabliert: Finetrader bezahlen den Lieferanten zu den gewohnten Konditionen, gewähren aber dem Händler ein deutlich verlängertes Zahlungsziel. Der Händler wird auf diese Weise in die Lage versetzt, die per Finetrading finanzierten Waren erst einmal zu verkaufen, bevor er sie selbst bezahlen muss.

Diese Vorgehensweise erhöht unter Umständen ganz maßgeblich die Liquidität - und darauf kommt es an: Rentabel muss ein Geschäft auf Dauer sein, liquide aber jederzeit.

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  • Quelle: Thomas Beier
  • Geändert am: 08.11.2022 - 15:09 Uhr
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